Mensch im Mittelpunkt
Verabschiedung von Dekan Witte-Karp
Am Abschiedsgottesdienst für Dekan Witte-Karp (v.li.) beteiligten sich u.a. Pröpstin Dr. Anke Spory und der Dekanatsvorsitzende Gerhard Schulze-Velmede.
Witte-Karp habe großen Wert auf eigenständige Verantwortlichkeit und gelingende Kommunikation gesetzt, so die Pröpstin. „Andere in ihrer Selbstwirksamkeit stärken, war dir als Dekan wichtig.“ Seine Arbeit sei vom „Wir“ geleitet worden. „Getragen ist dein Engagement von der Überzeugung, dass wir nur gemeinsam mit anderen etwas zu einer humanen Gesellschaft beitragen können. Denn die Kirche ist keine Sonder-Welt, sie steht in der Gesellschaft.“
Vielfalt sei Herzensangelegenheit von Witte-Karp gewesen. Dazu habe der Dialog mit den Religionsgemeinschaften ebenso gehört wie das Einbringen in die Zivilgesellschaft, unter anderem in der Jugendarbeit und der Arbeit mit Geflüchteten, sagte Pröpstin Spory
An dem Abschiedssegen durch die Pröpstin beteiligten sich auch Vertreter anderer Konfessionen und Religionen, neben Wegbegleitern. Unter anderem Pater Arsenios von der Griechisch-Orthodoxen Gemeinde, Dow Aviv als Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde, Mijam Aasman, Geschäftsführerin der von der evangelischen Kirche getragenen Jugendwerkstatt Gießen, Gülcan Bayram von der Muslimischen Gemeinde Gießen und Christina Richter, Vorsitzende des Kirchenvorstands Bieber.
Witte-Karp selbst hob in seiner Predigt auf einen Bibelvers ab. „Nichts anderes als Recht üben, Freundlichkeit üben, aufmerksam mitgehen mit deinem Gott“. Wenn die Weltpolitik als „Daily Soap“ daherkomme, falle das schwer, bekennt er. Aber jeder und jede habe ein Recht auf ein Leben in Würde und Freiheit.
Es gehe aber auch um Freundlichkeit. „Wenn es auch schwer fällt, wenn man an der Aldi-Kasse anstehen muss, oder wenn im Zug alle gestresst sind, wenn ich noch mit meinem Fahrrad daherkomme“, sagte er lächelnd. Umso dankbarer sei er für die Kirche, die er in Gießen erfahren durfte, die sich selbst nicht genug gewesen sei und die Freundlichkeit ausstrahle. „Dafür bin ich sehr dankbar", unterstrich der scheidende Dekan.
Dekanatsvorsitzender Schulze-Velmede beendete den Gottesdienst mit einer gereimten Abschiedsrede. Er sprach von Herausforderungen, bleibenden Eindrücken und liebgewonnenen Erinnerungen der gemeinsamen Kirchenarbeit. Ein Augenmerk legte er auf die gesellschaftliche Positionierung Witte-Karps vor dem Hintergrund des erstarkenden Rechtspopulismus: „Drum gilt es Farbe zu bekennen, und das Übel zu benennen. Das Bündnis ›Gießen bleibt Bunt‹, tut den Protest dagegen kund. Der Kirche ists nicht einerlei, drum ist sie ganz zentral dabei. Auch du ergreifst dabei das Wort, an manchem öffentlichen Ort.“ Er habe vieles in die Wege geleitet, von dem Gießen noch lange profitieren könne: „Du wirst uns fehlen, das ist klar. Doch umgekehrt ist es auch wahr, wir sind in unsrer Kirchenwelt, als Dekanat gut aufgestellt. Drum hoffe ich das es uns gelingt, das unsre Arbeit Früchte bringt. Du kannst das Gießener-Geschehen, gelassen aus der Ferne sehen.
2019 wurde Witte-Karp Dekan des Evangelischen Dekanats Gießen. In einem Abschiedswort an die Gemeinden in Gießen schrieb er vor kurzem: „Ich habe in den letzten Jahren in und um Gießen immer wieder eine Kirche erfahren dürfen, die sich mutig den Veränderungen stellt.“ Die Kirche konzentriere sich nicht nur auf die notwendigen eigenen Umstrukturierungen, sondern gehe in die Häuser, in die Heime, auf die Stationen und in die Lager, auf die Straßen und Plätze. Witte-Karp schreibt, er habe eine Kirche erlebt, „der es zunehmend gelingt, getrost kleiner zu werden, die freigiebig ist, die auch aus dem Mittelpunkt herausrücken kann, die anderen Stimme und Aufmerksamkeit gibt und für Bedrängte einsteht“.
Das Kirchenparlament, die Synode der EKHN, hatte Witte-Karp im Mai zum Dezernenten des Dezernats Kirchliche Dienste in der Kirchenverwaltung in Darmstadt und damit auch zum beratenden Mitglied der Kirchenleitung gewählt. Das Dezernat ist zuständig für eine Vielfalt von Aspekten der kirchlichen Praxis in der gesamten EKHN, von der Verkündigung und Seelsorge über die Ökumene bis zu Fragen der gesellschaftlichen Verantwortung und Bildung. Witte-Karp wird verantwortlich sein für fünf thematische Arbeitszentren in Darmstadt, Frankfurt und Mainz mit insgesamt rund 200 Mitarbeitenden.
Wann die Synode des Evangelischen Dekanats eine Nachfolgerin oder Nachfolger im nächsten Jahr wählen kann, steht noch nicht fest Ab September werden der ehrenamtlich tätige Dekanatsvorsitzende Gerhard Schulze-Velmede und der stellvertretende Dekan, Pfarrer Andreas Specht, gemeinsam mit dem Dekanatssynodalvorstand das Dekanat leiten und nach außen vertreten.