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Die Wiegen der Thomasgemeinde - ein Bus und eine Raststätte

Geburtstag der Evangelischen Thomasgemeinde ist eigentlich der 1. Februar 1964. An diesem Tag wurde in der Kirchengemeinde Gießen-Wieseck eine zweite Pfarrstelle errichtet. Deren Aufgabengebiet war die kirchliche Versorgung der circa 2.200 Mitglieder der neuen Gemeinde Wieseck II, der jetzigen Thomasgemeinde. Außer einer in der Marburger-Straße angemieteten Pfarrwohnung gab es noch keinerlei Gemeinde-Räumlichkeiten. Abhilfe schaffte hier im April/Anfang Mai 1964 zunächst die "Kirche auf Rädern" mit einem Kirchen-Bus. Er war eine der Wiegen unserer Gemeinde: Denn in dieser "Kirche auf Rädern" wurde unser erster Seelsorger, Pfarrer Otto Dettmering am 3. Mai 1964 feierlich in sein Amt eingeführt.

Der geistliche Leiter der "Kirche unterwegs", Diakon Steuer, erklärte damals der Presse, dass die Kirche nicht in einem festen Gehäuse verweilen könne, wenn der Mensch, dem ihre Botschaft gilt, auf den Straßen dieser Welt unterwegs sei. Vielmehr sei es Aufgabe der Kirche, neue Formen zu finden und dem Menschen dort zu begegnen, wo er wirklich sei. 

Gleich am Tag nach der Amtseinführung von Pfarrer Dettmering musste übrigens der Bus - 24 Meter lang, vorgesehen für 80 Personen - seine Reise fortsetzen. Es dauerte fast ein Jahr bis er erneut unsere Gemeinde ansteuerte. Vom 4. bis 16. April 1965 stand die "Kirche auf Rädern" noch einmal am Spitzwegring bereit.

In der Zwischenzeit hatte sich aber einiges getan: Am 4. Oktober 1964 fand die Grundsteinlegung für das Gemeindezentrum statt. Am 1. Januar 1965 wurde unsere Gemeinde selbständig und erhielt ihren heutigen Namen. Die Gemeindegrenzen wurden allerdings noch geringfügig geändert, und zwar wurde die Grenze nach Wieseck jetzt durch die Mitte von Ludwig-Richter-Straße und Sellnberg gebildet. Bis zur Einweihung des Gemeindezentrums dauerte es aber noch bis zum 10. Oktober 1965. Wo traf sich aber die Gemeinde in der Zwischenzeit, wenn der Bus nicht am Röderring stand?

Gottesdienste wurden in einer Fernfahrer-Raststätte abgehalten, nämlich im "Autohof Runzheimer" in der Marburger-Straße, wo am Wochenende geschlossen war. (Zeitzeugin Frau W. Böhler: "Da roch es im Gottesdienst immer gut nach Bier!") Wegen der regen Teilnahme mussten teilweise sogar zwei Gottesdienste am Sonntagmorgen gehalten werden. Für den Konfirmandenunterricht wurden der Gemeinde Schulräume in der Friedrich-Ebert-Schule zur Verfügung gestellt.

Und das sonstige Gemeindeleben? Alles privates Engagement: Der erste Hauskreis mit allgemeinen Gesprächen zum Thema Glauben traf sich in den Wohnungen der Familien Butteron und Keller im Röderring. In den Räumen der Familie Schraudolf, ebenfalls im Röderring, wurden die ersten Bibelstunden über das Johannesevangelium abgehalten. Und im Taubenweg traf sich in den Räumen der Familie Schaub im Sommer 1965 der erste Jugendkreis der Gemeinde.

Pfarrersfrau Dettmering leitete den Kirchenchor, der sich regelmäßig im Wohnzimmer der Pfarrfamilie zusammenfand. Dort tagte auch der Verwaltungsausschuss der Gemeinde, der sich auch für einen neuen Namen und unsere Selbständigkeit einsetzte. Bald wurde die Thomasgemeinde eigenständig, aber noch gehörte die Gemeinde zum Dekanat Kirchberg und hatte damit eigentlich engere Bindungen zu Wieseck als zu den anderen Stadtgemeinden. Es sollte dann noch über vier Jahre, nämlich bis zum 1. Januar 1970 dauern, bis  unsere Gemeinde zum Dekanat Gießen gehörte. Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte...

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